Lagebericht Herbst 2020
Liebe Spenderinnen, Spender und Interessierte,
zunächst möchten wir uns bei Ihnen für die vielen Unterstützungen und Sonderspenden als Reaktion auf unseren offenen Brief im Mai diesen Jahres bedanken. Heute wollen wir über die Entwicklungen seitdem und die Verwendung Ihrer Spenden berichten. Dank Ihrer Unterstützung konnten wir die Nothilfe und die Zahlung der Lehrer- und Angestelltengehälter fortführen.
Alle Bildungseinrichtungen bleiben durch einen Beschluss der kenianischen Regierung bis Januar 2021 geschlossen und die Schülerinnen und Schüler dürfen das Schulgelände nahezu nicht betreten. Seit sieben Monaten ist den Schülerinnen und Schülern der Zugang zur Bildung nicht nur deutlich erschwert, sondern sogar fast unmöglich gemacht worden.
Statt gemeinsames Lernen, Sport, Musik und Spiel bestimmt nunmehr die tägliche Unsicherheit ihren Kinderalltag. Die pandemiebedingte Schulschließung, die voraussichtlich 42 Wochen dauern wird (Vergleich Deutschland: 17 Wochen), wird gemäß einer Studie der UNECO zu einem Wissensverlust und zu Schulabbrüchen führen. Die Corona-Pandemie bedroht nicht nur die Gesundheit der kenianischen Schülerinnen und Schüler u.a. durch Mangelernährung, sondern auch ihre Sicherheit und Kindheit. Durch die Schulschließungen sind die Kinder einem höheren Risiko von Gewalt, Kinderehen und Missbrauch ausgesetzt. Es wird von einer Corona-bedingten Bildungskrise gesprochen, die voraussichtlich die Ärmsten und Mädchen am meisten treffen wird.
Unsere kenianischen Lehrkräfte bereiten kleine Arbeitsblätter und Tests vor, die von den Eltern am Schulcampus abgeholt und zur Korrektur wiedergebracht werden können. Diese dienen jedoch lediglich der Wiederholung, damit beim Wiedereinstieg in die Schule keine allzu großen Lücken entstehen. Diese Tests können weder neue Inhalte vermitteln noch in irgendeiner Weise bewertet werden. Außerdem wird den Lernenden die Möglichkeit genommen, Fragen zu stellen. Dennoch wird das Angebot weitestgehend angenommen.
Das selbstverantwortliche Lernen fällt unseren Schülerinnen und Schülern jedoch sehr schwer, was die grundsätzlichen Probleme des aktuellen Schulsystems verdeutlicht, das sehr frontal und ergebnisorientiert organisiert ist. Wie Sie während des Distanzunterrichts auch an deutschen Schulen erfahren haben, ist das eigenverantwortliche Lernen und die Selbstorganisation für fast alle Schülerinnen und Schüler eine Herausforderung. Durch das Umfeld und die Lebenssituation der Kinder in Diani wird dieses Problem noch verstärkt, da die Wohnverhältnisse meist sehr beengt sind, kein elektrisches Licht und auch kaum Schulmaterialien wie Schulbücher und Hefte vorhanden sind.
Die zentralen Prüfungen zum Ende des Schuljahres im November können nicht wie üblich stattfinden. Die kenianische Regierung arbeitet zurzeit an einer Lösung, die für alle Schülerinnen und Schüler gelten soll. Im Moment scheint es so, als würde das gesamte Schuljahr wiederholt werden. Unsere Koordinatorin Christina Missong, die in Kürze auch wieder vor Ort sein wird, sieht das sehr kritisch: „Den Kindern wird ein ganzes Jahr ihres Lebens geraubt“. Eine Öffnung unserer Schule für alle Schülerinnen und Schüler unter den bestehenden Hygienebestimmungen grenzt an Unmöglichkeit. Dennoch geben die Lehrkräfte ihr Bestes, um die Schule derzeit auf eine mögliche Öffnung vorzubereiten.
Wir sind froh, Ihnen mitteilen zu können, dass wir bisher keine Lehrkräfte und Angestellten entlassen mussten. Ihnen kann zumindest 80% ihres Gehalts ausbezahlt werden. 10% erhalten sie als Freizeitausgleich, dadurch dass sie den Samstag frei bekommen. Die restlichen 10% des Gehalts werden „virtuell angespart“, sodass sie das Geld ausgezahlt bekommen, sobald wir die finanziellen Mittel dazu wieder aufbringen können. So wird die Farm weiter bewirtschaftet, die Gebäude gepflegt und die Lehrkräfte nutzen die Zeit, zusätzlich zu der Erstellung und Korrektur der Test, für Fortbildungen. Diese organisieren sie selbst zu verschiedenen Themen wie Unterrichtsstörung, Lernschwierigkeiten und Montessori-Pädagogik. Beispielsweise erwirbt eine unserer Lehrerinnen zurzeit ein offizielles Montessori-Zertifikat und gibt ihr Wissen an ihre Kolleginnen und Kollegen weiter. Außerdem bilden die Lehrkräfte sich im Selbststudium in ihren Fächern weiter und erstellen in Anlehnung an das offizielle Montessori-Material Lern- und Spiel-Material wie Rechenperlen und -stäbe, Puzzlerahmen, Springseile, Reifen, Bälle und Stoffpuppen.
Alle Angestellten haben die Möglichkeit erhalten, einen kleinen Garten auf dem Schulcampus zu bewirtschaften und selbst zu verwalten. Das ist derzeit ohne Probleme möglich, da der Küstenstreifen bisher von der im Norden des Landes um sich greifenden Heuschreckenplage verschont geblieben ist. Das angebaute Obst und Gemüse dürfen die Angestellten für den Eigenbedarf nutzen und an bedürftige Familien weitergeben, was angesichts der steigenden Lebensmittelpreise ein immenser Vorteil und ein großer Luxus ist. So ist der Campus über die letzten Monate zu einem grünen Paradies geworden. Aber was ist ein Paradies ohne Kinder?
Der Großteil der in den vergangenen Monaten erhaltenen Spenden, werden für die Not- und Direkthilfe genutzt. Jeden Monat werden für umgerechnet 1500€ Lebensmittel in einem ortsansässigen Großhandel gekauft und an die bedürftigen Familien der 200 Schülerinnen und Schüler sowie unsere Angestellten verteilt. Die Care-Packages werden, angepasst an die Größe und die Einkommensverhältnisse der Familie, mit Reis, Mais, Bohnen, Porridge, Öl und dem Gemüse von unserer Farm bestückt. Unsere Sozialarbeiterin, die zurzeit durch zwei Lehrerinnen tatkräftig unterstützt wird, besucht zu diesem Zweck die Familien zu Hause, um eine gerechte Spendenverteilung zu gewährleisten. Die drei Frauen wachsen zurzeit über sich hinaus. Die Lebensmittelausgabe ist angepasst an das Hygienekonzept organisiert und sichert den Familien eine ausgewogene Ernährung, die zurzeit keine Selbstverständlichkeit für die Einwohner Dianis darstellt.
Die allgemeine Situation in Diani bleibt angespannt, da die meisten Erziehungsberechtigten unserer Schülerinnen und Schüler von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Die meisten arbeiten an Schulen oder in der Tourismusbranche und erhalten auch weiterhin keinerlei Unterstützung vom Staat wie Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld. Das Problem verschlimmert sich, da sich die Arbeitslosigkeit in einer Art Kettenreaktion fortsetzt. Die Menschen, die zuvor bei den festangestellten Familien als Putz- und Waschhilfe oder Kinderbetreuer gearbeitet haben, verlieren ebenfalls ihren Job, da ihre Arbeitgeber sie nicht mehr bezahlen können.
Unser Verein in Deutschland steht ebenfalls vor neuen Herausforderungen, da alle Benefizveranstaltungen wie Flohmärkte und Sponsorenläufe abgesagt wurden. Deshalb haben wir uns umso mehr über Ihre Sonderspenden gefreut. Beispielsweise haben wir einen großen Betrag von einer Gruppe von Freundinnen gespendet bekommen, die Mund-Nasen-Schutze nähen und verkaufen. Der so erwirtschaftete Betrag wird vollständig an verschiedene soziale Projekte gespendet.
Dank dieser großzügigen Spenden konnte die Not- und Direkthilfe wie die Care-Packages und die weitere Bezahlung der Angestelltengehälter bisher gewährleistet werden. Dennoch sind wir als Projekt Lebensblume, vor allem aber unsere Schülerinnen und Schüler und deren Familien weiterhin auf ihre Unterstützung angewiesen. Die Armut verschlimmert sich täglich durch die steigende Arbeitslosigkeit und die inflationären Lebensmittelpreise, sodass weiterhin Spenden für die direkte Versorgung mit Lebensmittel benötigt werden. Auch weitere Schulmaterialen wie Hefte und Schulbücher werden dringend benötigt, um den Schülerinnen und Schülern zumindest die Möglichkeit zu geben, selbstverantwortlich zu lernen.
Schon kleine Spenden können Großes bewirken. Ein Lebensmittelpaket, das eine 6-köpfige Familie mit Grundnahrungsmitteln eine Woche lang ernähren kann, kostet zurzeit 20 €. Ein eigenes Schulbuch kann den Kindern für 3 € bis 8 € dauerhaft zur Verfügung gestellt werden. Besonders in diesen Zeiten ist es wichtig Zuversicht zu spenden. Die Menschen müssen das Gefühl bekommen, selbst etwas verändern zu können. Wir versuchen daher eine Grundlage zu schaffen auf deren Basis diese Chance ermöglicht werden kann.
Wir werden Sie natürlich weiterhin über die Lage in Kenia auf dem Laufenden halten und den zweckbezogenen Einsatz durch Berichte und aktuelle Fotos auf unserer Website, über unseren Instagram-Account (projektlebensblume) und unsere Facebookseite dokumentieren.
Liebe Grüße und bleiben sie gesund,
Christina Missong, Josi Küsters, Antje Wolf, Peter Ulrich, Silvia Bardenheuer, Marigret Bierbaum und Sophia Stepprath
Bankverbindungen:
Volksbank Heinsberg eG
IBAN: DE74 3706 9412 3004 1850 12
BIC:GENODED1HRB
beziehungsweise:
Sparkasse Aachen
IBAN: DE75 3905 0000 1071 7867 66
BIC: AACSDE33XXX
Neueste Kommentare