Im Oktober 2018 konnte ich für vier Wochen in der DIANI Montessori Academy als Volontär arbeiten. Schwerpunkt meines Einsatzes war es, Möglichkeiten zur Umsetzung der Montessori-Pädagogik im Schulalltag zu schaffen, sowie die Lehrkräfte an die praktische Durchführung mit Montessori-Materialien im Unterricht heranzuführen. Ich selbst arbeite seit mehreren Jahren in einer jahrgangsgemischten Grundstufengruppe an einer Montessori-Schule in der Nähe von Frankfurt am Main.
In Kenia angekommen, musste ich mich erstmal an die in der Schule herrschenden Abläufe und Gegebenheiten anpassen. Die Kinder besuchen bereits ab dem 4. Lebensjahr die Vorschule und bekommen grundlegende Kenntnisse über Buchstaben und Zahlen. Jede Unterrichtsstunde hat eine Dauer von 35 Minuten. Aufgrund der Vorgaben der Regierung gibt es kaum Möglichkeiten den Stundenplan flexibel zu gestalten oder Unterrichtsblöcke, im Sinne zusammenhängender Lernzeiten, zusammenzufassen. Es gibt keine jahrgangsgemischten Klassen, wie es an Montessori-Schulen üblich ist. Allerdings schwankt das Alter der Schüler innerhalb einer Klasse zum Teil stark, da Kinder mit wenig schulischer Vorbildung tendenziell in untere Stufen integriert werden, unabhängig von ihrem Alter.
Ich war darauf vorbereitet, dass Lernmaterialien kaum bis gar nicht vorhanden sind. In den Klassenzimmern haben die Kinder nur Schulbänke und eine Tafel. Jeder Klassenraum verfügt über einen kleinen Nebenraum (Store), in dem die Lehrer Bücher, Hefte, Kreide, Spielsachen oder selbsterstellte bzw. wenige gesponserte Lernmaterialien verstauen.
Mein Einsatz war vorrangig in der ersten Vorschulklasse (PP1). Die Idee dahinter war, an der Basis der Schule anzufangen und die Lehrkraft mit der Arbeit nach Montessori-Prinzipien vertraut zu machen. Die Lehrerin der PP1, Madame Fresia, hat einen guten Draht zu den Kindern. Viele Unterrichtseinheiten werden mit Liedern begonnen. Das gemeinsame Singen macht den Kindern sehr viel Spaß. Der Unterricht findet auf Englisch statt – allerdings wird auch oft in der Muttersprache Kisuaheli gesprochen.
Madame Fresia übergab mir bereits in den ersten Tagen die Mathematikstunden und die Stunden für den Sprachunterricht. Diese versuchte ich mit den von mir mitgebrachten Montessori-Materialien auszuschmücken. Dafür musste ich die Darbietungen an die Struktur des dortigen Unterrichtes anpassen. Es gibt keine Freiarbeitsphasen, wie ich sie aus der klassischen Montessori-Schule kenne, in denen die Kinder individuell nach ihrem Lerntempo, an unterschiedlichen Aufgaben mit verschiedenen Lernmaterialien arbeiten. Die Unterrichtsform ist frontal und alle Kinder arbeiten an denselben Aufgaben. Die Stunden sind geprägt vom Erzählen und Erklären neuer Lerninhalte durch die Lehrkraft und dem oft wiederholendem Nachsprechen der Kinder.
Marie, eine Volontärin, die ebenfalls in der PP1 eingesetzt war und die Kinder schon gut kannte, unterstützte mich bei der Planung der Stunden, die wir oft auch gemeinsam durchführten. Wir wollten die Kinder an ihren Tischen in Gruppen arbeiten zu lassen. Als Arbeitsunterlage dienten quadratische Teppichfliesen, die ich aus Deutschland mitgebracht hatte. So konnten wir gemeinsam die Zahlen von eins bis zehn mit Ziffern und den passenden farbigen Montessori Perlenstangen auslegen und kennenlernen. Die Lehrerin war sehr angetan von diesen Materialien, mit dem die Kinder sichtbar nachvollziehen konnten, dass eine Zahl einer bestimmten Menge zugeordnet werden kann. Auch den Kindern hat die Arbeit mit den bunten Perlenstangen sehr gut gefallen. Um die Erkenntnisse schriftlich festzuhalten, habe ich für jedes Kind dem Material entsprechende Arbeitsblätter erstellt. Diese musste ich handschriftlich herstellen. Den Luxus eines Kopierers gab es leider nicht!
In den folgenden Stunden arbeiteten wir zu den Zahlen von eins bis zehn in unterschiedlicher Weise weiter. Rotierende Gruppentische dienten als Stationen mit verschiedenen Lernmaterialien. An einer Station konnten die Kinder durch Tasten und Fühlen die Ziffern erfassen und die passende Perlenstange zuordnen. An einem anderen Tisch konnte ich ein weiteres Montessori-Material (den „Spindelkasten“) einführen. Hiermit lernen die Kinder Mengen mit Stäben zu bündeln, sowie die Bedeutung der Zahl „Null“. Eine Mutter meiner Schulklasse in Deutschland nähte mir zwei Exemplare dieses Materials aus Stoff. Mit den „Ziffern und Chips“ bekamen die Kinder einen ersten Überblick über gerade und ungerade Zahlen.
Bei der Stationsarbeit merkte ich, dass die knappen Unterrichtsstunden wenig Raum ließen, um das Material intensiv mit den Kindern zu erarbeiten. Eine Materialdarbietung sollte mit Ruhe und Zeit an das Kind herangeführt werden, die ihm auch im Nachhinein die Möglichkeit gibt, sich damit alleine weiter zu beschäftigen.
Für den Sprachunterricht habe ich „Sandpapierbuchstaben“ aus Deutschland mitgebracht. Damit haben die Kinder die Buchstaben mit dem Finger nachfühlen und die Schreibrichtung erfahren können. Zur Festigung haben wir die Buchstaben auf dem Schulgelände in den Sand oder mit Straßenkreide auf Steinplatten geschrieben.
Im Laufe der Wochen habe ich auch Einblicke in die anderen Klassen erhalten. So konnte ich nach und nach alle mitgebrachten Materialien und Ideen in die Gruppen und bei den überaus offenen und dankbaren Lehrkräften abgeben. Besonders gefreut hat mich, wie in der zweiten Vorschulkasse (PP2) die Kinder mit großer Begeisterung mit dem „Beweglichen Alphabet“, einem klassischen Montessori-Material, gearbeitet haben. Nachdem ich der Lehrerin die Einsatzmöglichkeiten mit den einzelnen Groß- und Kleinbuchstaben erläutert hatte, holte sie einen großen Teppich aus dem Nebenraum und legte gemeinsam mit den Kindern Wort für Wort. Alle Kinder waren eifrig dabei. Am nächsten Tag bereitete sie Gruppentische vor und ließ die Kinder selbstständig an den Tischen Wörter nachlegen.
Sicher wird es noch viel Zeit und Veränderung brauchen, um die Montessori-Pädagogik noch intensiver in den Schulalltag aller Klassen einzubinden und umzusetzen. Ich hoffe, dass die ersten Materialien ihren weiteren Einsatz im Unterricht finden und vielleicht auch von den zukünftigen Volontären mitgenutzt werden.
Mich haben die positive Stimmung in den Klassen, die Freude der Kinder am Lernen und Arbeiten mit den Materialien, sowie der respektvolle Umgang miteinander beeindruckt. Auch Kinder mit Behinderungen (körperlicher sowie geistiger Behinderung) werden von allen gut integriert. Besonders viel Spaß haben die Kinder bei den wöchentlichen Judostunden. Masha (ausgezeichnet als bester Judo- und Karatelehrer Ostafrikas) trainiert alle Kinder der Schule mit großem Engagement. Während meines Aufenthaltes bekamen wir Volontäre auch abendliche Judo- und Karatetrainingseinheiten, die viel (schweißtreibenden) Spaß gemacht haben. Die vier Wochen in der DIANI Montessori Academy waren eine sehr erfahrungsreiche Zeit für mich!
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